12. Olivenöl im Welthandel.

Olivenöl, aber nicht so sehr das feine Speiseöl, ist daher ein wichtiger Gegenstand des Welthandels. Davon bekam man früher, ehe die Häfen ausgebaut waren, an der tunesischen Ostküste in drastischer Weise eine Vorstellung, indem dort an jedem Küstenplatze, den die Dampfer anliefen, die meist weit draußen auf offener Reede Anker werfen mußten, große Ruderboote lange Rosenkränze von mit Olivenöl gefüllten Tonnen schwimmend hinter sich her zum Dampfer schleppten. Doch ist überall die zur Ausfuhr gelangende Menge Olivenöl nur ein Bruchteil, meist sogar ein kleiner, des im Lande gewonnenen Olivenöls. Selbst Tunesien führt von 30 Mill. l, die es jährlich hervorbringt, nur 1/3 aus. Seine 1 1/2- Mill. Bewohner verbrauchen also 20 Mill. l jährlich, also 13 1/2 l auf den Kopf. Auch Italien führt nur 1/3 seiner Ölgewinnung aus, Syrien nur 1/4; die Hälfte verwendet es zur Erzeugung von Seife, 1/4 wird als Öl oder in der Gestalt der Oliven selbst verbraucht. Nach Trabut1) liefern die olivenzüchtenden Länder jährlich im Durchschnitt 8 Mill. hl Olivenöl, von denen aber 7 Mill. in den Erzeugungsländern selbst verbraucht werden. Nur 1 Mill. hl kommt zur Ausfuhr und ist also eigentlich Gegenstand des Welthandels. Daraus ergibt sich, daß der Ölbaum und seine Erzeugnisse im Welthandel der Neuzeit eine ganz untergeordnete Rolle spielen und in grellstem Gegensatze zu der großen Bedeutung stehen, die ihnen in der Geschichte, besonders in der Gesittungsgeschichte, in geographischer und landschaftlicher Hinsicht und in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mittelmeerländer zukommt. Das meiste wird somit in den Erzeugungsländern selbst als Speiseöl, Brennöl, zur Zubereitung der Speisen an Stelle animalischen Fettes, zur Seifenbereitung u. dgl. auch verbraucht. Der Verbrauch zu Brennöl ist allerdings immer mehr zurückgegangen und kaum noch in den abgelegensten Gegenden zu finden. Es ist durch Petroleum, das doch noch billiger geliefert werden kann, verdrängt worden.

Bourde2) hat berechnet, daß im Jahre 1892 nach Frankreich eingeführt wurden 22 3/4 Mill. kg Olivenöl, zum großen Teil, 17—18 Mill., minderwertige Öle italienischer und spanischer Herkunft, nach England 21 1/2 Mill., in die Vereinigten Staaten 5 Mill., nach Österreich und dem Deutschen Reich je 3 Mill., und daß im ganzen etwa 60 Mill. kg im Werte von 60 Mill. Francs in den Welthandel gelangten. Trabut gibt für 1900 Frankreichs Einfuhr zu 255000 hl an, je 100000 hl aus Italien und Tunesien, 55000 aus Spanien, diejenige von Großbritannien und Irland zu 200000 hl, besonders aus Italien und dem Türkischen Reiche. Die Vereinigten Staaten führen 50000 hl ein, da die kalifornische Olivenzucht fast nur die besser lohnende Gewinnung von Speiseoliven im Auge hat. Süddeutschland verbraucht etwa 70000 hl. Es ist nicht anzunehmen, daß diese Mengen sich seitdem wesentlich vermehrt haben, da immer größere Mengen zum Teil zur Fälschung des Olivenöls verwendeter, vorwiegend aber in gleicher Weise verwendbarer, in größeren Mengen und billiger zu gewinnender Öle tropischer Herkunft auf den Weltmarkt gelangen, Erdnußöl, Öl von der Ölpalme, von der Kokospalme &c. Solcher Öle nimmt der Weltmarkt jährlich 2132406303 kg im Werte von 700 Mill. Francs auf! Vielfach ist infolgedessen die Olivenzucht bei im allgemeinen zurückgehenden Preisen des Öls immer weniger lohnend geworden und durch Weinbau, Maulbeerzucht, in Griechenland durch Korinthen, u. dgl. ersetzt worden. Relativ spielt heute der Handel mit Olivenöl im Welthandel eine geringere Rolle als früher, wo eben diese wettbewerbenden Öle nicht vorhanden waren. In der Neuzeit, namentlich seit der Erschließung Afrikas, seit der Einbeziehung der Südsee in den Weltverkehr, wodurch ungeheure, stetig wachsende Mengen von Palmöl, Erdnußöl, Baumwollöl, Kokosnußöl u. dgl. in den Welthandel geliefert werden, wo mineralische Öle und Gase als Leuchtstoffe eintreten, ihrerseits schon im Wettbewerb mit dem elektrischen Licht, ist die Bedeutung des Olivenöls und dementsprechend der Preis desselben in stetigem Rückgange. Heute benutzen selbst Städte, die von ungeheuren Olivenwäldern umgeben sind, wie Korfu, Sfax, Susa, San Remo, Sevilla und viele andere, nicht mehr ihr Olivenöl zu Beleuchtungszwecken. Diesen letzteren dienen nur noch verschwindende Mengen, besonders in den Kirchen und Klöstern, vor den Bildstöcken u. dgl. Am meisten leiden darunter diejenigen Länder, die nur minderwertige Öle erzeugen, während die feinen Speiseöle noch immer gute Preise behaupten. Namentlich drängen auch die in immer größeren Mengen auf den Markt gebrachten feinen tunesischen Öle die geringeren Öle, die Spanien, Griechenland &c. hervorbringen, zurück. In Algerien1) erzielte man in den letzten Jahren mit den besten Ölen erster Pressung, dem sog. Jungfernöl, 140—120 Francs für 100 kg, für halbfeines, gewöhnliches Öl zweiter Pressung, auch noch als Speiseöl brauchbar, 100—80 Francs, für das gewöhnliche, von den Eingeborenen gelieferte Öl, das besonders zur Seifenbereitung verkäuflich ist, 80—70 Francs, und für noch minderwertigeres Schmieröl 50 Francs. Die besten Öle aus Tunesien, Apulien und der Provence kosten, von gelegentlichen, namentlich durch Mißernten hervorgerufenen Preisschwankungen abgesehen, 150 Francs pro 100 kg. Im Jahre 1897 war in Italien der Durchschnittspreis 116, 1898: 144 Lire, für Brennöl 91 und 101 Lire. 1899 war in Apulien die Olivenernte so schlecht wie seit einem Jahrzehnt nicht. Der Preis guten Speiseöls stieg daher auf 189 Lire. Sehr viel minderwertiger sind die Öle, die Dalmatien und Griechenland erzeugen, wo man 50 bzw. 62 M als Mittelpreis für den Doppelzentner annimmt. Ähnlich ist es in Spanien. Die Ausfuhr der einzelnen Länder wird bei diesen im einzelnen behandelt werden.

1) L'Olivier en Algerie, Alger-Mustapha 1900, S. 75.
2) Rapport, S. 57.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904